Stadt Lübben - es kann so einfach sein

Die Raupe des Beifuß-Graumönches (Cucullia artemisiae) an Überhängendem Beifuß (Artemisia vulgaris). ©S. Fuchs
Die Raupe des Beifuß-Graumönches (Cucullia artemisiae) an Überhängendem Beifuß (Artemisia vulgaris). ©S. Fuchs

Nachdem die Stadt Lübben vor 2 Jahren erfreulicherweise beschloss, vorerst einige Grünflächen aus der Regelpflege zu nehmen & nur noch 1-2x je Jahr zu mähen, zeigt sich aktuell in einem kleinen Beispiel, wie wichtig & sinnvoll solche Maßnahmen sein können & das nicht nur in Hinblick auf den ökologischen Mehrwert.

 

Bei vielen Gemeinden hat mittlerweile ein Umdenken eingesetzt, was die zuvor teils vollkommen unnötigen, kostenintensiven & auch umweltschädigenden Pflegemaßnahmen der eigenen Grünflächen betrifft.
Wo zuvor Flächen, in teils wöchentlichen Regelintervallen sprichwörtlich totgemäht wurden, dabei zudem hohe Aufwandskosten erbrachten & von einer Grünfläche überhaupt nicht mehr die Rede sein konnte, da der Begriff GRÜN einfach nicht mehr zutraf, stattdessen steinharte, staubgraue Sandpisten die jegliches Leben von sich verbannt hatten, das Bild prägten, können nun die Bürger allmählich wieder bewachsene Flächen erblicken, auf denen auch Insekten ein neues Refugium finden. 

Die Akzeptanz dieses neuen Umgangs ist nicht bei jedermann zu bemerken & gelegentlich werden jene mit den Begriffen "ungepflegt, Unkraut, vernachlässigt oder unansehnlich" benannt, was aber einfach nicht der Wahrheit entspricht.

Denn in Wirklichkeit sorgen diese Flächen nicht nur für eine gehörige Kostenersparnis in den Stadtkassen, bei gleichzeitiger Lärmvermeidung & der Vermeidung von Feinstaubbelastung der Flächenbearbeiter, wenn diese die staubigen Böden mit Motorsense oder Rasentraktoren bearbeiten & dabei oftmals von großen Staubwolken verhüllt sind. Und natürlich, der Kerngedanke der reduzierten Pflege, erfolgt eine Erhöhung der Biodiversität in den Städten.
Es kehren Wildbienen zurück, die große Bestäubungsleistungen in den benachbarten Kleingärten erbringen, Glühwürmchen leuchten wieder inmitten der Städte & vertilgen kleine Schnecken, Tag- & Nachtfalter finden Nektarquellen auf diesen Flächen & bieten selbst, egal ob als Ei, Raupe & Imago, Futterquell für Vögel, Eidechsen & Fledermäuse. Zu guter Letzt erfreuen sich auch Große & kleine Bürger der Stadt Lübben beim Entdecken all dieser Arten in ihrem direkten Lebensumfeld.

 

Die Wechselwirkungen von ökologischen Zusammenhängen werden oftmals unterschätzt, selbst wenn es sich nur um vorerst so kleine Flächen wie in Lübben handelt. Dennoch sollte man die Kapazitäten der sogenannten Ökosystemleistungen nicht unterschätzen & viele dieser Einzelkomponenten die in diesem Begriff stecken, sind auf den ersten Blick nicht sofort erkennbar. Betrachtet man z.B. die mahdfreien Grünflächen mit den verdichteten Dauerpflegeflächen, sind nicht nur drastische Unterschiede im Arteninventar der Flora & Fauna für jedermann sofort erkennbar, sondern nehmen die bewachsenen Flächen beispielsweise deutlich mehr Wasser bei Starkregenereignissen auf. Die Begründung dessen liegt zum einen in der erhöhten dichteren Struktur der Vegetation, die ähnlich einem Schwamm wirkt & schnelles Abließen von den Flächen verhindert & natürlich sind die Böden durch die Wurzeln & Bodenlebewesen aufgelockert & durchlässig.

Ein weiterer Vorteil ist die reduzierte Erwärmung dieser Vegetationsflächen. Die höheren Wildstauden & Gräser beschatten den Boden sozusagen selbst, verringern damit die Verdunstung, helfen somit auch im Umfeld stehenden Bäumen, diese Dürrezeiten besser zu überstehen & senken damit sogar die Umfeldtemperatur.

 

Wenn man es rein sachlich betrachtet, gibt es einfach keinen Nachteil, städtische Grünflächen weniger zu mähen.

Lediglich die alten Ansichten, dass solche Flächen aus reiner Faulheit nicht gepflegt werden, sollten langsam in Vergessenheit geraten. Der Mensch sollte sich allmählich wieder der Wichtig- & Notwendigkeit von Naturraumflächen besinnen, das gilt im Kleinen wie auch im Großen & egal ob es Grünlandflächen in Ortschaften, einem Stückchen im eigenen Garten oder eben auch Waldgebieten im Spreewald betrifft...einige Parzellen aus der übermäßigen Nutzung zu nehmen, fördert das Leben vieler Arten wie z.B. jenes des Beifuß-Graumönchs.

Natur ist unaufgeräumt & wild!

 

 

Infos zur gefunden Raupenart:

Der nun entdeckte Beifuß-Graumönch ist eine heimlich lebende kleine Nachtfalterart, die leider auch in der Vorwarnkategorie der Roten Liste in Deutschland zu finden ist.
Die Raupen dieser Art sind so extrem gut angepasst (ein Foto dafür findet Ihr in der nachfolgenden Galerie), das man sie dort kaum entdeckt, selbst wenn sie direkt vor den eigenen Augen, nur wenige Zentimeter entfernt, in den Blüten des Beifußes sitzen. Die Tarnung muss allerdings auch so gut sein, da der Beifuß eine sehr hoch aufrecht wachsende Pflanze ist & sich die Blüten lediglich im oberen Teil der Pflanze, oftmals in einer Höhe von 1,5-2m befinden.  Diese hohe Wildstaude ist somit sehr exponiert & dient Vögeln häufig als Sitzwarte. Wäre die Raupe dort leicht zu erkennen, hätte sich diese Art in der Evolutionsgeschichte allerdings niemals etablieren können, da diese sofort als Beute für viele andere enden würde. 

 

Nachdem die Raupe dort einige Wochen gefressen hat, zuerst die Blüten, dann die Samenstände der Pflanze, erfolgt die Verpuppung im Boden in einem kleinen Kokon aus Erde. Die Puppen der Cucullien (Mönche) sind für mich mit die schönsten im Nachtfalterreich & bei Gelegenheit stelle ich demnächst noch einige Fotos davon ein. Schaffen es die Puppen dann, von August/September bis zum kommenden Juli/August im Erdreich ungestört zu überleben, schlüpfen die Falter dann also 10-11 Monate später aus der Erde, verpaaren sich umgehend & beginnen mit der Eiablage am Beifuß.
Das Spiel beginnt also von Neuem & jedes Ei, jede Raupe muss abermals darauf hoffen, nicht dem Rasenmäher zum Opfer zu fallen.
Die Falter fliegen übrigens keine Lichtquellen an, wie es viele andere Nachtfalter tun & sind daher selbst nur sehr selten zu Gesicht zu bekommen. Wie Eingangs schon gesagt, halt eine sehr geheimnisvolle Art, die in allen Entwicklungsstadien den meisten Menschen jedoch für immer verborgen bleibt.

 

sebastian fuchs

 

 

 

Alle nachfolgenden Fotos der Galerie ©S. Fuchs