Eine Wanderung durch die Lübbener Wildnis
Wie das aussieht, wenn sich Flora und Fauna ihren Lebensraum zurückerobern, lässt sich rund um die Rote Brücke beobachten, welche sich nur knapp vier Kilometer vom Lübbener Stadtkern entfernt über die Spree spannt. Ganz ohne menschlichen Einfluss entstand hier in den vergangenen 30 Jahren ein Wald, welchen man als Lübbener Wildnis bezeichnen könnte. Zwar ist das Stück für die Bezeichnung „Wildnis“ per Definition zu klein, doch eine Wanderung durch dieses Gebiet lohnt sich allemal. Eine wunderschöne Bildstrecke zu der Führung hat Reporterin Katrin Kunipatz hier als Bildergalerie veröffentlicht.
Zu einer solchen lud Arnulf Weingardt, Vorsitzender unseres NABU, im September ein. Rund 20 Personen folgten seinem Aufruf und machten sich an die Erkundung des Naturschutzgebietes. Startpunkt war hierbei die bereits erwähnte Rote Brücke, ein altes Eisenbahnviadukt, über welches schon seit 1994 keine Personenzüge mehr fahren. Die Stilllegung des Bahnverkehrs ermöglicht es seitdem einigen seltenen Pflanzen wie Pfaffenhütchen zwischen den Schottersteinen emporzuwachsen. Doch nicht nur auf der Brücke, sondern auch um sie herum ist die Natur in den letzten Jahrzehnten sichtlich aufgeblüht. Während ein etwa 30 Jahre altes Luftbild den Anwesenden beweisen konnte, dass damals zu beiden Seiten der Brücke nur einzelne Bäume das Spreeufer und die Umgebung säumten, finden sich heutzutage an derselben Stelle zahlreiche Espen, Birken, Kiefern und auch die ersten Eichen beginnen zu wachsen. Möglich wurde das Entstehen dieses Waldes um 1980 mit dem Ende der Bewirtschaftung der umliegenden Wiesenflächen, welche auf dem alten Bild noch deutlich zu erkennen sind.
Doch nicht nur Pflanzen fühlen sich in der neuentstandenen Wildnis wohl. Auch die Tierwelt hat inmitten der Bäume und der ebenfalls vorhandenen kleinen Wasserflächen ihren Platz. So zieht das Gebiet viele Vogelarten wie Reiher, Kraniche und Schellenten an. Ebenso haben heimische Wildtiere wie Hirsch, Reh, Biber und Wildschwein hier ein Zuhause gefunden und nutzen die Wildwechselpfade, über welche die Gruppe während der Führung ebenfalls wanderte. Aber inmitten der unberührt wirkenden Natur lassen sich auch Spuren des Menschen finden, sei es ein Grenzstein im hohen Gras oder ein Isolator, welcher auf die ehemals vorhandene Hochspannungsleitung hinweist. Doch dessen ungeachtet haben sich die Tiere hier heimisch gemacht und nutzen die Vorzüge, welche ihnen die Lübbener Natur bietet. Besonders beliebt sind beispielsweise der Kleine und der Große Wolfshorst. Die zwei kleinen Hügel dienen den Tieren als trockene Liegeplätze und ermöglichen es ihnen dank ihrer leicht erhöhten Lage, auch ferne Geräusche wahrzunehmen.
Die rund zweistündige Wanderung zeigte sehr schön, wie sich die Natur ihren Raum zurückerobert, wenn der Mensch sie lässt. Denn auch wenn sich die Lübbener Wildnis in „nur“ 30 Jahren so eindrucksvoll entfalten konnte, sei doch an die Worte des Lyrikers Eugen Roth erinnert: „Zu fällen einen schönen Baum, braucht's eine halbe Stunde kaum - zu wachsen bis man ihn bewundert, braucht er, bedenkt es, ein Jahrhundert!"